11
Apr
2010

Novalis

novalis

Die Liebe ging auf dunkler Bahn

Die Liebe ging auf dunkler Bahn
Vom Monde nur erblickt,
Das Schattenreich war aufgetan
Und seltsam aufgeschmückt.

Ein blauer Dunst umschwebte sie
Mit einem goldnen Rand,
Und eilig zog die Phantasie
Sie über Strom und Land.

Es hob sich ihre volle Brust
In wunderbarem Mut;
Ein Vorgefühl der künft'gen Lust
Besprach die wilde Glut.

Die Sehnsucht klagt' und wußt' es nicht,
Daß Liebe näher kam,
Und tiefer grub in ihr Gesicht
Sich hoffnungsloser Gram.

Die kleine Schlange blieb getreu:
Sie wies nach Norden hin,
Und beide folgten sorgenfrei
Der schönen Führerin.

Die Liebe ging durch Wüstenein
Und durch der Wolken Land,
Trat in den Hof des Mondes ein
Die Tochter an der Hand.

Er saß auf einem Silberthron,
Allein mit seinem Harm;
Da hört' er eines Kindes Ton,
Und sank in ihren Arm.

1
Apr
2010

August Adolf von Haugwitz

An seine Bücher

Dies ist der traute Sitz, den ich mir auserwählt,
Was acht ich Sorgenlast, was acht ich Unglückswetter,
Hier diese stumme Zunft ist meiner Seelen Retter,
Hier such und find ich das, was andern Leuten fehlt,
Hier stirbt und schwindet das, was meinen Geist sonst quält,
Hier hab ich trotz der Welt und ihrer blinden Spötter
Nächst Gott, dem Größten, selbst der Sinnen wahre Götter,
Den'n sich mein Herz und Geist auf ewig anvermählt.
Hier hab ich meinen Sitz, hier hab ich meine Reise,
Hier hab ich meinen Trank, hier hab ich meine Speise,
Hier hab ich meinen Schatz und teuren Edelstein,
Hier hab ich meinen Ruhm, mein Reichtum und mein Prangen,
Hier hab ich, was ich will und was ich kann verlangen.
Ach! daß doch nicht auch hier mein letztes Grab soll sein!

29
Mrz
2010

Rosario Castellanos

Rosario

Destino

Matamos lo que amamos. Lo demás
no ha estado vivo nunca.
Ninguno está tan cerca. A ningún otro hiere
un olvido, una ausencia, a veces menos.
Matamos lo que amamos. ¡Que cese ya esta asfixia
de respirar con un pulmón ajeno!
El aire no es bastante
para los dos. Y no basta la tierra
para los cuerpos juntos
y la ración de la esperanza es poca
y el dolor no se puede compartir.

El hombre es animal de soledades,
ciervo con una flecha en el ijar
que huye y se desangra.

Ah, pero el odio, su fijeza insomne
de pupilas de vidrio; su actitud
que es a la vez reposo y amenaza.

El ciervo va a beber y en el agua aparece
el reflejo de un tigre.
El ciervo bebe el agua y la imagen. Se vuelve
—antes que lo devoren— (cómplice, fascinado)
igual a su enemigo.

Damos la vida sólo a lo que odiamos.

18
Jan
2010

Karl Kraus

Karl-Kraus

Zuflucht

Hab' ich dein Ohr nur, find' ich schon mein Wort:
wie sollte mir's dann an Gedanken fehlen?
Von zwei einander zugewandten Seelen
ist meine flüchtig, deine ist der Hort.

Ich komme aus dem Leben, jenem Ort,
wo sie mit Leidenschaft das Leben quälen
und sich die Menschen zu der Menschheit zählen,
und technisch meistern sie den Tag zum Tort.

So zwischen Schmach und Schönheit eingesetzt,
rückwärts die Welt und vorwärts einen Garten
ersehend, bleibt die Seele unverletzt.

Fern zeigt das Leben seine blutigen Scharten,
an mir hat es sich selber wundgehetzt.
Offne dein Ohr, um meines Worts zu warten!

16
Jan
2010

Adelbert von Chamisso

Chamisso

Mäßigung und Mäßigkeit

Laßt das Wort uns geben heute,
Uns vom Trunke zu entwöhnen;
Ziemt sich's für gesetzte Leute,
Wüster Völlerei zu frönen?
Nein, es ziemt sich Sittsamkeit.
Gutes Beispiel will ich geben:
Mäßigung und Mäßigkeit! –
Stoßet an, sie sollen leben! –
Mäßigung und Mäßigkeit! –
Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!

Seht, ein Glas ist Gottes Gabe,
Und das zweite stimmt uns lyrisch;
Wenn ich gegen drei nichts habe,
Machen viele doch uns tierisch;
Trinket mehr nicht als genung!
Und mein Lied will ich euch singen:
Mäßigkeit und Mäßigung! –
Laßt die vollen Gläser klingen! –
Mäßigkeit und Mäßigung!
Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!

Seht den Trunkenbold in schrägen
Linien durch die Gassen wanken;
Kommt die Hausfrau ihm entgegen,
Hört sie keifen, hört sie zanken;
Das verdient Beherzigung.
Laßt uns an der Tugend haften:
Mäßigkeit und Mäßigung!
Pereant die Lasterhaften;
Mäßigkeit und Mäßigung!
Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!

Was hast, Schlingel, du zu lachen?
Will das Lachen dir vertreiben;
Dich moralisch auch zu machen,
Dir die Ohren tüchtig reiben,
Pack dich fort bei guter Zeit!
Doch ich will mich nicht erboßen:
Mäßigung und Mäßigkeit! –
Eingeschenkt und angestoßen! –
Mäßigung und Mäßigkeit!
Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!

Modus, ut nos docuere,
Sit in rebus, sumus rati;
Medium qui tenuere
Nominati sunt beati;
C'est le juste Milieu zur Zeit!
Ergo! Ergel! – Deutsch gesprochen:
Mäßigung und Mäßigkeit! –
Frisch das Glas nur ausgestochen –
Mäßigung und Mäßigkeit!
Maß! Maß!
Leert darauf das volle Glas!

Nüchtern bin ich, – Wein her! Wein her! –
Immer nüchtern, – das versteht sich. –
Nur das Haus, der Boden, – Nein, Herr,
Nicht betrunken! – Wie doch dreht sich
Alles so um mich im Schwung?
Laß mich, Kellner, laß mich liegen!
Mäßigkeit und Mäßigung! –
Heute muß die Tugend siegen! –
Mäßigkeit und Mäßigung!
Maß! Maß!
Noch ein Glas – so – noch ein Glas!

15
Jan
2010

Paul Boldt

Friedrichstraßendirnen

Sie liegen immer in den Nebengassen,
Wie Fischerschuten gleich und gleich getakelt,
Vom Blick befühlt und kennerisch bemakelt,
Indes sie sich wie Schwäne schwimmen lassen.

Im Strom der Menge, auf des Fisches Route.
Ein Glatzkopf äugt, ein Rotaug‘ spürt Tortur,
Da schießt ein Grünling vor, hängt an der Schnur
Und schnellt an Deck einer bemalten Schute,

Gespannt von Wollust wie ein Projektil!
Die reißen sie aus ihm wie Eingeweide,
Gleich groben Küchenfrauen ohne viel

Von Sentiment. Dann rüsten sie schon wieder
Den neuen Fang. Sie schnallen sich in Seide
Und steigen ernst mit ihrem Lächeln nieder.

11
Jul
2009

Federico García Lorca

garcialorca

Gacela del niño muerto

Todas las tardes en Granada,
todas las tardes se muere un niño.
Todas las tardes el agua se sienta
a conversar con sus amigos.

Los muertos llevan alas de musgo.
El viento nublado y el viento limpio
son dos faisanes que vuelan por las torres
y el día es un muchacho herido.

No quedaba en el aire ni una brizna de alondra
cuando yo te encontré por las grutas del vino.
No quedaba en la tierra ni una miga de nube
cuando te ahogabas por el río.

Un gigante de agua cayó sobre los montes
y el valle fue rodando con perros y con lirios.
Tu cuerpo, con la sombra violeta de mis manos,
era, muerto en la orilla, un arcángel de frío.

Gacela des toten Kindes

In Granada stirbt jeden Nachmittag,
stirbt jeden Nachmittag ein Kind.
Jeden Nachmittag setzt sich das Wasser
und redet mit seinen Freunden.

Die Toten haben moosige Flügel.
Der bewölkte Wind und der reine Wind
sind zwei Fasane, die an den Türmen vorbeifliegen,
der Tag ist ein Junge mit einer Wunde.

In der Luft war nicht einmal mehr die Spur einer Lerche,
als ich dich im Weingewölbe traf.
Auf der Erde verblieb nicht einmal eine Krume Wolke,
als du im Flusse ertrankst.

Ein Riese aus Wasser fiel auf die Berge,
und das Tal umgab sich mit Hunden und Lilien.
Im violetten Schatten meiner Hände war dein Körper,
tot am Ufer, ein Erzengel der Kälte.

(Deutsch von Johannes Beilharz)

22
Apr
2009

Elisabeth Langgässer

Langgaesser

Frühling 1946*

Holde Anemone,
Bist du wieder da
Und erscheinst mit heller Krone
Mir Geschundenem zum Lohne
Wie Nausikaa?

Windbewegtes Bücken,
Woge, Schaum und Licht!
Ach, welch sphärische Entzücken
Nahm dem staubgebeugten Rücken
Endlich sein Gewicht?

Aus dem Reich der Kröte
Steige ich empor,
Unterm Lid noch Plutons Röte
Und des Totenführers Flöte
Gräßlich noch im Ohr.

Sah in Gorgos Auge
Eisenharten Glanz,
Ausgesprühte Lügenlauge
Hört ich flüstern, daß sie tauge,
Mich zu töten ganz.

Anemone! Küssen
Laß mich dein Gesicht:
Ungespiegelt von den Flüssen
Styx und Lethe, ohne Wissen
Um das Nein und Nicht.

Ohne zu verführen,
Lebst und bist du da,
Still mein Herz zu rühren,
Ohne es zu schüren -
Kind Nausikaa!

_____

*Für ihre Tochter Cordelia, damals noch in Auschwitz vermisst
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