2
Apr
2009

Allen Ginsberg

Ginsberg

In my kitchen in New York

(for Bataan Faigao)

Bend knees, shift weight
Picasso's blue deathhead self portrait
tacked on refrigerator door

This is the only space in the apartment
big enough to do t'ai chi

Straighten right foot & rise--I wonder
if I should have set aside that garbage
pail

Raise up my hands & bring them back to
shoulders--The towels and pyjama
laundry's hanging on a rope in the hall

Push down & grasp the sparrow's tail
Those paper boxes of grocery bags are
blocking the closed door

Turn north--I should hang up all
those pots on the stovetop
Am I holding the world right? That
Hopi picture on the wall shows
rain & lightning bolt

Turn right again--thru the door, God
my office space is a mess of
pictures & unanswered letters

Left on my hips--Thank God Arthur Rimbaud's
watching me from over the sink

Single whip--piano's in the room, well
Steven & Maria finally'll move to their
own apartment next week! His pants're
still here & Julius in his bed

This gesture's the opposite of St. Francis
in Ecstasy by Bellini--hands
down for me

I better concentrate on what I'm doing
weight in belly, move by hips
No, that was the single whip--that apron's
hanging on the North wall a year
I haven't used it once
Except to wipe my hands--the Crane
spreads its wings have I paid
the electric bill?

Playing the guitar do I have enough $
to leave the rent paid while I'm
in China?

Brush knee--that was good
halavah, pounded sesame seed,
in the icebox a week

Withdraw & push--I should
get a loft or giant living room
The land speculators bought up all
the sqaure feet in Manhattan,
beginning with the Indians

Cross hands--I should write
a letter to the Times saying
it's unethical

Come to rest hands down knees
straight--I wonder how
my liver's doing. O.K. I guess
tonite, I quit smoking last
week. I wonder if they'll blow
up an H Bomb? Probably not.

Manhattan Midnite, September 5, 1984

8
Mrz
2009

Louise Otto

Otto

Für alle

Für alle! hören wir die Worte tönen,
Da wird das Herz uns plötzlich groß und weit!
Sie künden uns wie mit Drommetendröhnen
Den Siegsgesang der echten Menschlichkeit.
Denn anders ist kein heilig' Werk zu krönen
Und anders nie zu enden Kampf und Streit,
Als wenn ein Heil, das in die Welt gekommen
Der Sonne gleich für alle ist entglommen.

"Für alle!" sangen einst der Engel Scharen
In jener gottgeweihten heil'gen Nacht,
"Für alle will der Herr sich offenbaren
In seiner ewigtreuen Liebesnacht;
Für alle hat er Noth und Tod befahren
Und der Erlösung großes Werk vollbracht,
Das gleich den Gliedern eines Leibes einte
Mit festem Band die gläubige Gemeinde."

"Für alle -" klang es im Hussitenheere -
"Ist auch der Gnade Kelch mit Christi Blut,
Denn allen ward verkündet seine Lehre,
Die in der Gleichheit aller Menschen ruht,
Und Erd' und Himmel hat nicht höhre Ehre,
Als nun uns wird mit dem geweihten Gut."
Im Märtyr'tum, in grauser Todeshalle
Ertönt es noch: "Der Kelch des Heils für alle!"

So wußten sie die Losung recht zu fassen,
Erteilten sie an Mann und Weib zugleich.
Sie wollten nicht das hohe Erbteil lassen,
Das Bürgertum im neuen Liebesreich.
Da gab es keinen Neid mehr und kein Hassen,
kein Sklaventum, kein Herrschen stark und feig,
Die Seelen galt's, die freien, zu erretten
Aus düsterm Bann, aus schwerer Knechtschaft Ketten.

Wo wieder aber ward der Ruf vernommen:
"Für alle Freiheit!" klang es fast wie Hohn,
Denn für die Männer nur war er gekommen
Im Wettersturm der Revolution.
Denn schien auch Joch auf Joch hinweggenommen,
Und stürzte auch in Trümmer Thron um Thron:
Dem Männerrecht nur galt das neue Ringen,
Das Frauenrecht blieb in den alten Schlingen.

Wohl grüßten freie Männer sich als Brüder,
Nur Bürger gab es, nicht mehr Herr und Knecht;
Wohl sangen sie der Liebe Bundeslieder
Und fühlten sich als ein erneut' Geschlecht.
Doch auf die Schwestern blickten stolzt sie nieder,
Der Menschheit Hälfte blieb noch ohne Recht,
Blieb von dem Ruf: "Für alle!" ausgenommen -
Ihr muß erst noch der Tag des Rechtes kommen.

Der Frauen Schar, die in den Staub getreten,
Ward nur erhoben an des Glaubens Hand.
Die Besten lernten fromm zum Himmel beten,
Weil ja die Erdenwelt sie nicht verstand;
Die andern aber ließen sich bereden
Sie seien nur bestimmt zu Spiel und Tand,
Es sei ihr höchstes Ziel im süßen Minnen,
Des ganzen Lebens Inhalt zu gewinnen.

Doch wiederum wird einst der Ruf erklingen:
So wie vor Gott sind wir auf Erden gleich!
Die ganze Menschheit wird empor sich ringen
Zu gründen ein erneutes Liebesreich,
Dem Weibe wie dem Mann sein Recht zu bringen
Zu wahren mit des Friedens Palmenzweig.
In laut'rer Wahrheit stolzem Siegesschalle
Tönt's noch einmal: "Erlösung kam für alle!"

1
Dez
2008

Rudolf Hagelstange

Rudolf-Hagelstange

Wir nennen es Winter

Wir nennen es Winter. Und meinen damit:
Atemholen des Lebens und über Verwesung
kühles Leinen des Schnees. Ostwind ums Haus,
Scheite im Ofen, im Kreis einer Lampe
Nüsse und Wein. Die Mette, den Christbaum.
Freude, aufs Eis geschrieben, Spuren im Schnee.
Und immer der Wechsel vom Kalten ins Warme.
Später die Feste mit Masken und tanzenden Paaren.
Föhn in den Adern. Und Krokus in schneenassen
Fäusten des jungen Frühlings.

19
Okt
2008

Sándor Petőfi

Petoefi

Helden in Lumpen

Auch ich könnt meine Verse kleiden
in schöne Reime, strenge Form,
geschniegelt nach der Etikette,
die in Salons der Noblen Norm.

Doch meine Lieder sind nicht Gecken,
die albern auf Empfänge gehn
mit Handschuhn, parfümierten Locken,
begierig nur nach Weibern sehn.

Zwar nicht mit Schwertern und Kanonen,
die lange schon der Rost befiel,
wird heut gekämpft, nein: mit Ideen.
Doch ist auch das kein Kinderspiel.

In diesen Schlachten des Jahrhunderts
bin als Soldat ich eingereiht,
und meine Lieder sind getreue
Vorkämpfer in dem harten Streit.

Arm sehn sie aus, zerfranst, zerschlissen,
doch groß ist ihre Tapferkeit,
und Heldenmut ehrt den Soldaten
mehr als ein goldbetreßtes Kleid.

Ob sie mich überleben werden,
die Sorge quält mich heute nicht.
Sie mögen ohne Ruhm vergehen,
erfüllten sie nur ihre Pflicht.

Ein Buch, das meine schlichten Lieder
bewahrt, ehrwürdig wird es sein
wie Gräber namenloser Helden,
die für die Freiheit standen ein.

(Übersetzung: Martin Remané

1
Okt
2008

Richard Dehmel

Hans_Baluschek_Bildnis_Richard_Dehmel

Chinesisches Trinklied
Nach Li-Tai-Pe

Der Herr Wirt hier - Kinder, der Wirt hat Wein!
Aber laßt noch, stille noch, schenkt nicht ein:
ich muß euch mein Lied vom Kummer erst singen!
Wenn der Kummer kommt, wenn die Saiten klagen,
wenn die graue Stunde beginnt zu schlagen,
wo mein Mund sein Lied und sein Lachen vergißt,
dann weiß Keiner, wie mir ums Herz dann ist,
dann wolln wir die Kannen schwingen -
die Stunde der Verzweiflung naht.

Herr Wirt, dein Keller voll Wein ist dein,
meine lange Laute, die ist mein,
ich weiß zwei lustige Dinge:
zwei Dinge, die sich gut vertragen:
Wein trinken und die Laute schlagen!
Eine Kanne Wein zu ihrer Zeit
ist mehr wert als die Ewigkeit
und tausend Silberlinge!-
Die Stunde der Verzweiflung naht.

Und wenn der Himmel auch ewig steht
und die Erde noch lange nicht untergeht:
wie lange, du, wirst Du's machen?
du mitsamt deinem Silber-und Goldklingklange?
Kaum hundert Jahre! Das ist schon lange!
Ja, leben und dann mal sterben, wißt,
ist Alles, was uns sicher ist;
Mensch, ist es nicht zum Lachen?!-
Die Stunde der Verzweiflung naht.

Seht ihr ihn? Seht doch, da sitzt er und weint!
Seht ihr den Affen? Da hockt er und greint
im Tamarindenhain, hört ihr ihn plärren?
über den Gräbern, ganz alleine,
den armen Affen im Mondenscheine? -
Und jetzt, Herr Wirt, die Kanne zum Spund!
jetzt ist es Zeit, sie bis zum Grund
auf einen Zug zu leeren -
die Stunde der Verzweiflung naht.

(Hans Baluschek, Bildnis Richard Dehmel)

Joachim Ringelnatz

ringelnatz

Mein Bruder

Mein Bruder löst immer Probleme.
Mein Bruder verfolgt ein Ziel.
Mich nennt er eine bequeme
Schlawinernatur ohne Stil.

Mein Bruder wohnt - Ehrensache -
Und sagt, er habe Niveau.
Doch wenn ich darüber lache,
Beschimpft er mich: ich sei roh.

Mein Bruder muß Rechnung tragen
Und spricht gern über Kultur.
Mich hat er einmal geschlagen,
Weil mir dabei was entfuhr.

Mein Bruder haut mich sehr häufig.
Er nennt das dann "aus Prinzip".
Solche Worte sind ihm geläufig.
Ich habe ihn deshalb so lieb.

Ich würde ihn auch gern mal hauen.
Doch er ist leider sehr stark.
Nur wenn er Glück hat bei Frauen,
Dann schenkt er mir immer zwei Mark.

Ich bin zwar ein saudummes Luder,
Meine beiden Beine sind schief.
Im übrigen ist mein Bruder
Gar nicht verwandt, sondern stief.

Doch wenn ich "gestiefelter Kater"
Ihn nenne, dann schäumt er wie Most
Und schreibt Beschwerden an Vater,
Und die trage ich dann zur Post.

Ich trage ihm alle Pakete,
Die größer sind, als er denkt.
Jetzt hat er meine Trompete
Hinter meinem Rücken verschenkt.

Ein Bischof hat einen braunen
Frack meinem Bruder verehrt.
Sie würden überhaupt staunen,
Mit wem mein Bruder verkehrt.

Dagegen lebe ich - meint er -
Ganz stur wie ein Vieh in den Tag.
Manchmal, wo Damen sind, weint er;
So einer stirbt mal am Schlag.

27
Sep
2008

Alfred Lichtenstein

lichtenstein

Die Stadt

Ein weißer Vogel ist der große Himmel.
Hart unter ihn geduckt stiert eine Stadt.
Die Häuser sind halbtote alte Leute.

Griesgrämig glotzt ein dünner Droschkenschimmel.
Und Winde, magre Hunde, rennen matt.
An scharfen Ecken quietschen ihre Häute.

In einer Straße stöhnt ein Irrer: Du, ach, du -
Wenn ich dich endlich, o Geliebte, fände...
Ein Haufen um ihn staunt und grinst voll Spott.

Drei kleine Menschen spielen Blindekuh -
Auf alles legt die grauen Puderhände
Der Nachmittag, ein sanft verweinter Gott.

26
Sep
2008

Klabund

klabund

Obdachlosenasyl

Ich war'n junges Ding, man immer frisch und flink.
Da kam von Borsig einer, der hatte Zaster und Grips.
So hübsch wie er war keiner mit seinem roten Schlips.
Er kaufte mir 'nen neuen Hut.
Wer weiß, wie Liebe tut.
Berlin, wie süß ist dein Paradies!
Unsere Vaterstadt schneidige Mädchen hat.
Schwamm drüber.
Tralalalá.

Ich immer mit'n mit. Da ging der Kerl verschütt.
Als ich im achten schwanger des Nacht bei Wind und Sturm,
schleppt' ich nich auf'n Anger, vergrub das arme Wurm.
Es schrie mein Herz, es brannte mein Blut.
Wer weiß, wie Liebe tut.
Berlin, wie süß ist dein Paradies!
Unsere Vaterstadt schneidige Mädchen hat.
Schwamm drüber.
Tralalalá.

Jetzt schieb' ich auf'n Strich. Ich hab' 'nen Ludewich.
In einem grünen Wagen des Nachts um halber zwee,
da ham' se mich jefahren in die Charité.
Verwest mein Herz, verfault mein Blut.
Wer weiß, wie Liebe tut.
Berlin, wie süß ist dein Paradies!
Unsere Vaterstadt schneidige Mädchen hat.
Schwamm drüber.
Tralalalá.

Krank bin ich allemal. Es ist mir allens ejal.
Der Weinstock, der trägt Reben, und kommt 'n junger Mann,
ich schenk' ihm was fürs Leben, daß er an mich denken kann.
Quecksilber und Absud,
wer weiß, wie Liebe tut.
Berlin, wie süß ist dein Paradies!
Unsere Vaterstadt schneidige Mädchen hat.
Schwamm drüber.
Tralalalá.

24
Sep
2008

Else Lasker-Schüler

lasker-schueler-floete

Die Verscheuchte

Es ist der Tag im Nebel völlig eingehüllt,
Entseelt begegnen alle Welten sich -
Kaum hingezeichnet wie auf einem Schattenbild.

Wie lange war kein Herz zu meinem mild . . .
Die Welt erkaltete, der Mensch verblich.
- Komm bete mit mir - denn Gott tröstet mich.

Wo weilt der Odem, der aus meinem Leben wich?
Ich streife heimatlos zusammen mit dem Wild
Durch bleiche Zeiten träumend - ja ich liebte dich . . . . .

Wo soll ich hin, wenn kalt der Nordsturm brüllt?
Die scheuen Tiere aus der Landschaft wagen sich
Und ich vor deine Tür, ein Bündel Wegerich.

Bald haben Tränen alle Himmel weggespült,
An deren Kelchen Dichter ihren Durst gestillt -
Auch du und ich.
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