24
Jun
2011

HEL

Hel

W enn das SCHLIEMANN aus ist dann
I st das LSD im hades
R ollt des ökospießers fades

B unt heran: no way no sun
L aßt nur eure hiwis machen
E ure zivis laßt nur los
I hr zieht kuckuckskinder groß
B rühheiß wird’s wenn die erwachen
E twas buckelt sich und bockt
N achts wenn ihr in totsanierten

A ufgemotzt modernisierten
L uxuskalten häusern hockt
L äden runter spinnen: webt
E in gespenst geht um: das lebt

Hel Toussaint, 2005

25
Mrz
2011

Joachim Ringelnatz

Ringelnatz3

Frühling

Die Bäume im Ofen lodern.
Die Vögel locken am Grill.
Die Sonnenschirme vermodern.
Im übrigen ist es still.

Es stecken die Spargel aus Dosen
Die zarten Köpfchen hervor.
Bunt ranken sich künstliche Rosen
In Faschingsgirlanden empor.

Ein Etwas, wie Glockenklingen,
Den Oberkellner bewegt,
Mir tausend Eier zu bringen,
Von Osterstören gelegt.

Ein süßer Duft von Havanna
Verweht in ringelnder Spur.
Ich fühle an meiner Susanna
Erwachende neue Natur.

Es lohnt sich manchmal, zu lieben,
Was kommt, nicht ist oder war.
Ein Frühlingsgedicht, geschrieben
Im kältesten Februar.

(Bild: Albert Schindehütte, Ringelnatz)

25
Dez
2010

Erich Kästner

Kaestner3

Weihnachtslied, chemisch gereinigt

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte Euch das Leben.
Das genügt, wenn man’s bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit.
Morgen ist’s noch nicht soweit.

Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bisschen durch die Straßen!
Dort gibt’s Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen –
Lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt’s an Holz!
Stille Nacht und heil’ge Nacht –
Weint, wenn’s geht, nicht! Sondern lacht!

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!
Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte reicht so weit …
Ach, du liebe Weihnachtszeit!

26
Nov
2010

Friedrich Schiller

Schiller2

Die Worte des Glaubens

Drei Worte nenn' ich euch, inhaltsschwer,
Sie gehen von Munde zu Munde,
Doch stammen sie nicht von außen her,
Das Herz nur giebt davon Kunde,
Dem Menschen ist aller Werth geraubt,
Wenn er nicht an die drei Worte glaubt.

Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
Und würd' er in Ketten geboren;
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Missbrauch rasender Thoren.
Vor dem Sclaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht.

Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall,
Der Mensch kann sie üben im Leben;
Und sollt' er auch straucheln überall,
Er kann nach der göttlichen streben,
Und was kein Verstand der Beständigen sieht,
Das übet in Einfalt ein kindlich Gemüth.

Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke;
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
Lebendig der höchste Gedanke;
Und ob Alles im ewigen Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.

Die drei Worte behaltet euch, inhaltsschwer,
Sie pflanzet von Munde zu Munde;
Und stammen sie gleich nicht von außen her,
Euer Inneres giebt davon Kunde.
Dem Menschen ist nimmer sein Werth geraubt,
So lang' er noch an die drei Worte glaubt.


Die Worte des Wahns

Drei Worte hört man bedeutungschwer
Im Munde der Guten und Besten.
Sie schallen vergeblich, ihr Klang ist leer,
Sie können nicht helfen und trösten.
Verscherzt ist dem Menschen des Lebens Frucht,
So lang' er die Schatten zu haschen sucht.

So lang' er glaubt an die goldene Zeit,
Wo das Rechte, das Gute wird siegen, -
Das Rechte, das Gute führt ewig Streit,
Nie wird der Feind ihm erliegen,
Und erstickst du ihn nicht in den Lüsten frei,
Stets wächst ihm die Kraft auf der Erde neu.

So lang' er glaubt, daß das bulende Glück
Sich dem Edeln vereinigen werde.
Dem Schlechten folgt es mit Liebesblick,
Nicht dem Guten gehöret die Erde.
Er ist ein Fremdling, er wandert aus,
Und suchet ein unvergänglich Haus.

So lang' er glaubt, daß dem ird'schen Verstand
Die Wahrheit je wird erscheinen,
Ihren Schleier hebt keine sterbliche Hand,
Wir können nur rathen und meinen.
Du kerkerst den Geist in ein tönend Wort,
Doch der freie wandelt im Sturme fort.

Drum edle Seele, entreiß dich dem Wahn
Und den himmlischen Glauben bewahre!
Was kein Ohr vernahm, was die Augen nicht sahn,
Es ist dennoch das Schöne, das Wahre!
Es ist nicht draußen, da sucht es der Thor,
Es ist in dir, du bringst es ewig hervor.

(Gedankengedichte, vierter Teil)

28
Okt
2010

Theodor Storm

Storm

Die Stadt

Am grauen Strand, am grauen Meer
Und seitab liegt die Stadt;
Der Nebel drückt die Dächer schwer,
Und durch die Stille braust das Meer
Eintönig um die Stadt.

Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
Kein Vogel ohn' Unterlass;
Die Wandergans mit hartem Schrei
Nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
Am Strande weht das Gras.

Doch hängt mein ganzes Herz an dir,
Du graue Stadt am Meer;
Der Jugend Zauber für und für
Ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
Du graue Stadt am Meer.

9
Okt
2010

Christian Morgenstern

Morgenstern

Möwenlied

Die Möwen sehen alle aus
als ob sie Emma hießen.
Sie tragen einen weißen Flaus
und sind mit Schrot zu schießen.

Ich schieße keine Möwe tot,
ich laß sie lieber leben -
und füttre sie mit Roggenbrot
und rötlichen Zibeben.

O Mensch, du wirst nie nebenbei
der Möwe Flug erreichen.
Wofern du Emma heißest, sei
zufrieden, ihr zu gleichen.

16
Sep
2010

cyparis

Hand und Blick

Im Tag ein Traum. Im Träumen süße Nacht.
Im Banne eines Blicks mit Meerestiefe;
im sanften Zwange einer starken Hand
mit unermeßlich, nie gekannter Macht...
ach! daß ich ewig, nimmerendend schliefe
und somit nie verlör' dies unlösbare Band
von mir zum allerhöchsten Geistesland!

Hand und Blick, die all mein Sein umfangen,
hoben strafend sich zu meinem Blick;
zogen Grenzen, die zu überschreiten nie sich Wille wagte,
an das Jenseits zu gelangen, - ach, ich so gefangen! -
diese Hand versagte.
Jämmerliches Ungeschick,
das zwischen Blick und Sehnsucht ragte,
da ich in schwachem Können ganz versagte...

"Zur Hölle!" sag ich "mit dem Blau in seinen Augen!"
Ah, nein - zum Himmel soll es leuchten,
weil es des Geistes, Wissens Stätte bleibt.
"Zur Hölle!" sag ich "mit der Hände Gruß!"
Ah, nein - weil sie das Firmament erreichten,
das Stern zu Sternen, sie zu Sonnen treibt,
ist's eine dieser Hände,
die mein Menetekel schreibt,

das Upharsin in meinen Tag, in meinen Traum.
Doch: Keine Wand, an der ein Glas zerschellt,
kein Tisch, den Tränen oder Flüche rauhen.
Nur mein Tasten längs des Schlafes Saum,
dem Frühe, Düster, Hoffen sich gesellt,
in dem ich - leise, sachte! - Zukunftssegel schauen
darf. Sonder Glück. Und ohne ihnen je zu trauen.

15
Sep
2010

María Gutiérrez

maria

Yo soy la mujer

Yo soy la mujer
Yo grabé las figuras en la pared de las cavernas
Descueré a las bestias y curtí sus pieles
Yo cocí la carne y la sequé para servirla en las noches frías del invierno
Cosí con los tendones y agujas de sus huesos el calzado de los padres de mis hijos
Los guerreros que me forzaron. Los valientes cazadores
Los jefes de los clanes. Los chamanes. Los bufones
Yo soy la mujer
Yo limpié sus mocos y su semen
Yo amamanté a sus bestias huérfanas. Y a las mías
Yo mantuve vivo el fuego
Amasé el barro de sus vasijas y las levanté, y las llené, y llené sus bocas y sus vientres
Y lo seguí hasta las trincheras para coser su camisa y sus heridas
Para llenar sus balas y secar sus ojos de la muerte
Yo soy la mujer
La esclava invisible
La niña mutilada por elhombredelacuchillasucia
La puta lapidada
La bruja de la hoguera
La loca amordazada
La concubina
Yo soy la mujer
Nunca en mí
Nunca mi dueña
Siempre en otras manos mi destino
Mi cuerpo
Mi esperanza
cercenada desde el centro

Yo soy la mujer
Yo caliento la cama de los hombres
Yo madrugo para besar su frente a pesar de su silencio
Y podría comprender su miradausentedegarrasdespiadadas
pero no quiero
No cerraré los ojos por más tiempo
ni ofreceré mi cerviz otro milenio

Viraré mi rumbo al sur de su camino
No voy a restañarlo de más guerras
Dejaré mi carga espesa de dolor y culpa y que la mar se lleve el pus del tiempo
Yo soy la mujer
Y con mis manos de tierra y miel
amasaré las horas y el pan cada mañana
Y un día cantaré

***

Ich bin die Frau

Ich bin die Frau
Ich ritzte die Figuren in die Höhlenwände
Zog den Bestien das Fell ab und gerbte ihre Haut
Ich kochte das Fleisch und dörrte es, um es in kalten Winternächten aufzutragen
nähte mit Sehnen und knöchernen Nadeln das Schuhwerk der Väter meiner Söhne
Der Krieger, die mich bezwingen sollten. Der mutigen Jäger
Der Stammeshäuptlinge. Der Schamanen. Der Possenreißer
Ich bin die Frau
Ich wischte ihren Rotz und ihren Samen fort
Ich stillte ihre elternlosen Bestien. Und meine
Ich hielt das Feuer am Leben
Knetete den Ton für ihre Gefäße und hob sie hoch, und füllte sie, und füllte ihre Mäuler und ihre Bäuche
Und folgte ihm bis zu den Schützengräben, um sein Hemd und seine Wunden zu säubern
Um seine Gewehre zu laden und seine toten Augen zu trocknen
Ich bin die Frau
Die unsichtbare Sklavin
Das Mädchen, verstümmelt durch den Mann mit der schmutzigen Klinge
Die gesteinigte Hure
Die Hexe auf dem Scheiterhaufen
Die geknebelte Irre
Die Konkubine
Ich bin die Frau
Nichts an mir
Nichts gehört mir
Immer in anderen Händen mein Glück
Mein Körper
Meine Hoffnung
im Keim erstickt

Ich bin die Frau
Ich wärme das Bett der Männer
Ich stehe früh auf, um seine Stirn zu küssen trotz seines Schweigens
Und könnte seinen abwesenden, seelenlosen Blick zu begreifen versuchen
aber ich will es nicht
Ich werde die Augen nicht länger verschließen
nicht ein weiteres Jahrtausend den Nacken hinhalten

Ich werde einen neuen Kurs einschlagen südlich seines Weges
Werde nicht mehr das Blut aus immer neuen Kriegen stillen
Werde meine Last abwerfen, träge von Schmerz und Schuld, auf dass das Meer den Eiter der Zeit mit sich nimmt
Ich bin die Frau
Und mit meinen Händen voll Erde und Honig
Werde ich jeden Morgen die Stunden und das Brot kneten
Und eines Tages singen

(Übersetzung: P. Namyslo)
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