15
Dez
2013

Hertha Kräftner

Kraeftner

Wer glaubt noch...

Wer glaubt noch,
daß uns drüben Korallenbäume erwarten,
und Vögel, die das Geheimnis singen
und ab und zu die beinernen Schnäbel
ins rosa gefärbte Wasser tauchen,
und daß man uns abholen wird
zu Gerüchen
nach aufgebrochenen Mandelkernen
und den weißen Wurzeln seltener Pflanzen?
Ach, der Tod wird nach Pfeffer
und Majoran riechen,
weil er vorher im Laden beim Krämer saß,
der am silbrigen Schwanz
eines Salzherings erstickte.

17
Nov
2013

Heinrich Heine

Heine

Childe Harold.

Eine starke, schwarze Barke
Segelt trauervoll dahin.
Die vermummten und verstummten
Leichenhüter sitzen drin.

Todter Dichter, stille liegt er,
Mit entblößtem Angesicht;
Seine blauen Augen schauen
Immer noch zum Himmelslicht.

Aus der Tiefe klingt’s, als riefe
Eine kranke Nixenbraut,
Und die Wellen, sie zerschellen
An dem Kahn, wie Klagelaut.

(Bild: Moritz Daniel Oppenheim)

29
Jul
2013

Eduard Mörike

Moerike

Der Feuerreiter

Sehet ihr am Fensterlein
Dort die rote Mütze wieder?
Nicht geheuer muß es sein,
Denn er geht schon auf und nieder.
Und auf einmal welch Gewühle
Bei der Brücke, nach dem Feld!
Horch! das Feuerglöckchen gellt:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt es in der Mühle

Schaut! da sprengt er wütend schier
Durch das Tor, der Feuerreiter,
Auf dem rippendürren Tier
Als auf einer Feuerleiter!
Querfeldein! Durch Qualm und Schwüle
Rennt er schon und ist am Ort!
Drüben schallt es fort und fort:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt es in der Mühle

Der so oft den roten Hahn
Meilenweit von fern gerochen,
Mit des heilgen Kreuzes Span
Freventlich die Glut besprochen
Weh! dir grinst vom Dachgestühle
Dort der Feind im Höllenschein.
Gnade Gott der Seele dein!
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Rast er in der Mühle

Keine Stunde hielt es an,
Bis die Mühle borst in Trümmer;
Doch den kecken Reitersmann
Sah man von der Stunde nimmer.
Volk und Wagen im Gewühle
Kehren heim von all dem Graus;
Auch das Glöckchen klinget aus:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt's

Nach der Zeit ein Müller fand
Ein Gerippe samt der Mütze
Aufrecht an der Kellerwand
Auf der beinern Mähre sitzen:
Feuerreiter, wie so kühle
Reitest du in deinem Grab!
Husch! da fällt die Asche ab.
Ruhe wohl,
Ruhe wohl
Drunten in der Mühle

19
Mrz
2013

Lars van Core

lars

montag = transenjedichttag

dedicated 2 all druffies - eine Ode an die Berliner Clubkultur

Transenjedicht

"Contenangse" sprach die Transe,
als sie mit Dreitagebart
montags vor die Clubtür trat -
Löcher in der Feinstrumpfhose,
dicke Eier, welke Rose,
Titten, Pickel, Lippenstift,
anjesoffen und bekifft,
das Toupet total versifft,
trat sie uff den Zebrastreifen,
fing an Passanten anzukeifen,
als ne Taxe stehenbleibte
und sich die Transe einverleibte.

"Junge Frau, wo wollnse hin –
ick nehm mal an hier in Berlin
gibt’s noch wo ne Afterhour
mit Taxifunk sind wir gleich schlauer"

Die Transe pampig, indigniert
Widerstand signalisiert’:
"Ick will nach Hause, warme Brause,
ich brauch drei Klingen von Gillette
und anschliessend erst mal ein Bett"

"Nüscht jibts" funkt da der Einsatzleiter,
"Ihr beiden reist jetzt erst mal weiter,
einmal um die Ecke fahr’n,
da steht ne Pumperglatze aus Marzahn"

Der Kunde wirklich riesengross,
breit, druff - riss türe offen,
selber schien er ooch besoffen
sprang fast der Transe auf den Schoss
und brüllt’ den Fahrer an "Fahr los!
Es geht um Leben oder Tod,
mach hinne, sonst wird da vorn die Ampel rot!"

Die Transe, eh sie janz verzagte,
an ihren rot lackierten Nägeln nagte -
der Fahrer trat uff Gaspedal,
die Ampel war ihm scheissejal.
"Keen Problem" meint’ er und grinste
als er schelmisch in den Spiegel linste.
"Geht schon los hier, geht gleich weiter
immer munter rauf und runter -
keene Bange, wird gleich noch bunter"

Nun wie bestellt, doch reichlich schicker
einsteigte noch nen Teileticker
Pupillen wie zwee Plattenteller,
uff 45 oder schneller
kreisend aber jut gelaunt,
dass sogar die Transe staunt’.

Er frech zum Piloten von der Taxe:
"Lass mich raten, du heisst Maxe?"
Der fahrer: „Keene doofen Witze,
schnallt euch bitte in die Sitze!
By the way, my name is Fritze !!!"

"Alter, ihr habt doch ooch nen Ding zu loofen,
ick war grad eben Pillen koofen,
ick hab hier ooch noch watt zu ziehn,
wir sind hier schliesslich in BERLIN !!!"

"Jib her!" wird gleich der Pumper munter,
"und ooch ne Bunte für die Tunte!"

die Transe eh es eskalierte,
wirkte scheinechauffiert,
als sie den Mitsubishi konsumierte:
"Meinetwegen, gleich ist Schluss,
ick will nach Hause, nein ich muss!!"

Nun zweifelnd an dem Sinn der Reimung,
der Dichter, nicht der Transe Meinung,
selber in die Taxe kroch,
wobei er stark nach Fahne roch
jammert’, meckernd eingeschnappt:

"Seid froh, dass überhaupt was klappt,
das ist schliesslich meine Dichtung,
und ich bestimme hier die Richtung!

Jahre musste ich studieren,
ein halbes Leben recherchieren,
und tausend Wege eruieren,
um euch durch dit Jedicht zu führen!"

Der Pumper unverständig pampig
fand nun den Dichter samt der Transe schlampig:
"Bitte tut mir een Jefallen,
und stottert doch nicht so beim Lallen,
haltet endlich mal die Klappe,
und schmeisst euch lieber noch ne Pappe!"

Doch plötzlich als die Pillen schiebten
sich alle übelst ins Jedicht verliebten:

Die Welt ist bunt – das Leben schön,
wer will da schon nach Hause gehen?

"Kuck mal ne Electroschnitte
Die kommt bestimmt aus Helle-Mitte!"

Der Ticker: "Ditt is ooch ne Nette,
die traf ich neulich uff der Unisextoilette"

Daneben stand noch ne Bekannte
Die der Pumper Nancy nannte:
"Krass, sind die stylish uffjepimpt -
Ick gloob, dass jetzt die Richtung stimmt!"

Dahinter eine Clubtür gähnt, nein winkt!

Fritze bremste, macht’ ne wende,
"die Fahrt ist hier für euch zu ende!
Macht sechsfuffzig und viel Glück!
Dit Gedicht geht noch n Stück!"

Nämlich bis die Transe ungeniert
Mit den andern in den Club marschiert’
und zwar noch immer unrasiert!
Das entschied kein Richter,
sondern icke war’s, der Dichter !!!

18
Mrz
2013

Kitty Hawk

Kitty2

More than luxury

Scheißt doch die Stadt zu mit euren Lofts aus der Hölle
reißt die Mauer ab, haut Hotelketten an ihre Stelle
räumt den Wagenplatz, es muss Platz für die Townhouses her
vergesst nicht die Kack-Malls, gebt uns mehr davon, mehr

Verkauft doch den Görli, der ist so Unterschicht
holt die Bagger, gebt dem Drecksloch ein neues Gesicht
wir wär's mit Summer Residencies im Urban Living-Ambiente?
und aufs Penthouse ein Yoga-Spot für die After Work-Momente

Rotzt doch jedes Ufer voll mit eurem Fickpissbeton
macht die Clubs dicht, die versifften, der Investor wartet schon
ganz Berlin soll so aussehn wie der Potsdamer Platz
ein Ort aus der Konserve, nur zum Shopping gemacht

Rauf mit den Mieten, da ist viel Luft nach oben
und wer das nicht mehr zahlen kann, tja - unbekannt verzogen
das ist kein Ponyhof, mein Freund, das nennt sich Wohnungsmarkt
und wenn Du da nicht mitspieln kannst, dann zieh doch nach Marzahn

Ja, baut das olle Schloss auf, das ist so schön gediegen
Starbucks gleich im Kaiserreich, das muss man einfach lieben
die Lücken der Geschichte, die füllt mit Stahl und Glas
DDR-Architektur - Diktatur - ... war das was?

Scheißt doch die ganze Stadt zu mit the dawn of luxury
wir wollen auch ein Carport, wir wollen Mediaspree
Leben heißt jetzt Lifestyle und scheußlich heißt jetzt schön
und da wo ihr gentrifiziert wird alles gleich aussehn

Kündigt dem Gemüsehändler seinen Mietvertrag
Pferdegenfleisch aus der Dose gibt's auch im Supermarkt
schmeißt die Kita, schmeißt den Videomann, schmeißt die Blumenfrau raus
komm spar Dir deine Nostalgie, die Straße ist gekauft

Wer trauert schon der Hauptstadt der Hundescheiße nach?
guck an - all das Potential - hier liegt die Zukunft brach
Deine Wohneinheit wird jetzt zur Wellness-Oase
ach was - ohne Dich? - fass Dir mal an die eigne Nase

Wohnst Du noch oder investierst Du schon?
darfst Du überhaupt hier sein - wie hoch ist denn Dein Lohn?
andre baun hier Utopien - und Du? Machst Kunst und hartzt
die Stadt ist nicht für alle da, Du hast den Schuss verpasst

Komm, scheißt doch die Stadt zu mit den Lofts aus der Hölle
reißt die Mauer ab, haut Hotelketten an ihre Stelle
räumt den Wagenplatz, es muss Platz für die Townhouses her
vergesst nicht die Kack-Malls, gebt uns mehr davon, mehr

Gebt uns mehr!

18
Sep
2012

Paul Heyse

Heyse

Das Hundegrab auf Oxia
Ein Mahnruf

Ein kahles Eiland in der Meereswüste
Von Menschen unbewohnt, da nicht ein Quell
Hervorbricht aus dem starren Felsengrund,
Der Nahrung böte einem Grashalm nur,
Indes die Sonne südlich hohe Glut
Herniedersendet. So Jahrtausendlang
Stand allgemieden, trostlos, wie verfemt
Die Klippe da.
Doch heute, wer im Boot
Der Insel naht – auf einmal staunend sieht
Sein Aug' ein wimmelnd Leben dort am Strand,
Wo einst des Todes Schweigen nur geherrscht.
Und Grauen wird das Staunen, wenn er sieht:
Was dort sich regt, ist schauriger als Tod,
Der Wohltat wär' den Unglückseligen,
Verdammt zu langsamen Verschmachtens Qual,
Ein Schicksal, das dem schlimmsten Mörder nicht
Verhängt das härtste Strafgesetz.
Wer sind
Die Jammervollen? Was verbrachen sie?
Unschuld'ge sind's, hier grausam eingepfercht
Von Menschen, die unmenschlich sind, denn gut
Und edel sei der Mensch, indessen sie
Vergaßen aller Güte, da es hier
Nur Tiere gilt, und für die Folterung
Von armen Hunden keine Rechenschaft
Zu geben ist am Tage des Gerichts!

Wohl! Überhandnahm, nicht zu dulden mehr,
Die Hundeplage, die des Sultans Stadt
Gemacht zu räudiger Streuner Tummelplatz,
Wohl durften endlich ihres Herrenrechts
Die Menschen sich bedienen, notgedrängt.
Doch dann auch, wenn es Selbsterhaltung gilt,
Geziemt Erbarmen. Der Gerechte, heißt's
Im heil'gen Buch, erbarmt sich seines Viehs.
Und wenn auch der Prophet kein solch Gebot
Der Milde seinen Gläubigen eingeschärft,
Hat er sein Pferd und seine Katze doch
Zärtlich geliebt, und in der Notwehr wohl
Hätt' er den scharfen Stahl auch auf ein Tier
Gezückt, doch es dem Tode nie geweiht
Durch marterndes Verdursten, obdachlos
Dem Brand der Sonnenpfeile ausgesetzt,
Bis es die Wut befällt und brechend sich
Der Blick der schwachen Kreatur, die gern
Den Freund im Menschen sieht, verzweiflungsvoll
Zu seinem Henker hebt.
Wohl ist die Welt
Noch heut der Greuel voll, die Menschen auch
An Menschen üben. Doch ein letzter Trost
Bleibt den Verzweifelnden, wenn übergroß
Die Qual ward, mit freiwilligem Entschluß
Sie enden, was versagt ist dem Geschöpf,
Das ach, vernunftlos, doch nicht seelenlos
Sich knechtisch beugen muß dem blinden Recht
Des Stärkern.
Also in der Zeitung stand
Die Mär vom Hundegrab in Oxia.
Wohl niemand, will ich glauben, hätt' er auch
Für diesen treuen Spiel- und Leidgefährten
Des Menschen sonst kein Herz, konnt' ungerührt
Die Kunde lesen des Entsetzlichen,
Das hier nicht blöde Roheit einzelner,
Nein, kalte Staatsweisheit verordnet hat,
Zur Schmach dem ganzen Volk, das drein sich fügt.
Doch, die es schaudernd lasen, fühlten sie
Sich tiefer aufgeregt, als wenn sie sonst
Von einem Unglück hörten: Daß im Berg
Verschüttet wurden arme Häuer, daß
Ein Schiff mit aller Mannschaft untersank,
Die Pest vieltausend Menschen hingerafft,
Was einzig blinder Elemente Schuld?
Und keinem fiel es ein, daß täglich hier
Ein unerhörter Frevel wird verübt,
Den stumm mit anzusehn, das Herzblut ihm
Empören sollte? Wirken segensreich
In unsrer Stadt und in den Ländern rings
Vereine zu gequälter Tiere Schutz,
Und geht von keinem, keinem ein Protest
Bis hin zum goldnen Horn, da solchen Gräul
Zu dulden, dem Jahrhundert Schande macht?

Noch will ich hoffen. Doch was kommen soll,
Geschehe bald, bevor die Todesqual
Des letzten Opfers diese Christenwelt
Verklagt, die das Gebot der Liebe kennt,
Und doch so lässig übt die heil'ge Pflicht
Der Menschlichkeit!

2
Jan
2012

Jesse Thoor

Jesse

In einem Haus

In einem Haus, auf feinem Tannenreiser,
sitzen ein Bettelmann und ein Kaiser.
Beide summen und lachen und trinken
und reden laut und leise und winken.
Ein volles Jahr rollt über das Dach.
Ein volles Jahr rollt über das Dach.

24
Dez
2011

Wolfgang Borchert

Borchert3

Die drei dunklen Könige

Er tappte durch die dunkle Vorstadt. Die Häuser standen abgebrochen gegen den Himmel. Der Mond fehlte, und das Pflaster war erschrocken über den späten Schritt. Dann fand er eine alte Planke. Da trat er mit dem Fuß gegen, bis eine Latte morsch aufseufzte und losbrach. Das Holz roch mürbe und süß. Durch die dunkle Vorstadt tappte er zurück. Sterne waren nicht da.

Als er die Tür aufmachte (sie weinte dabei, die Tür), sahen ihm die blassblauen Augen seiner Frau entgegen. Sie kamen aus einem müden Gesicht. Ihr Atem hing weiß im Zimmer, so kalt war es. Er beugte sein knochiges Knie und brach das Holz. Das Holz seufzte. Dann roch es mürbe und süß ringsum. Er hielt sich ein Stück davon unter die Nase. Riecht beinahe wie Kuchen, lachte er leise. Nicht, sagten die Augen der Frau, nicht lachen. Er schläft.

Der Mann legte das süße, mürbe Holz in den kleinen Blechofen. Da glomm es auf und warf eine Handvoll warmes Licht durch das Zimmer. Die fiel hell auf ein winziges rundes Gesicht und blieb einen Augenblick. Das Gesicht war erst eine Stunde alt, aber es hatte schon alles, was dazu gehört: Ohren, Nase, Mund und Augen. Die Augen mussten groß sein, das konnte man sehen, obgleich sie zu waren. Aber der Mund war offen, und es pustete leise daraus. Nase und Ohren waren rot. Er lebt, dachte die Mutter. Und das kleine Gesicht schlief.

"Da sind noch Haferflocken", sagte der Mann. "Ja", antwortete die Frau, das ist gut. Es ist kalt. Der Mann nahm noch von dem süßen, weichen Holz. Nun hat sie ihr Kind gekriegt und muss frieren, dachte er. Aber er hatte keinen, dem er dafür die Fäuste ins Gesicht schlagen konnte. Als er die Ofentür aufmachte, fiel wieder eine Handvoll Licht über das schlafende Gesicht. Die Frau sagte leise: "Kuck, wie ein Heiligenschein, siehst du?" "Heiligenschein!", dachte er, und er hatte keinen, dem er die Fäuste ins Gesicht schlagen konnte.

"Dann waren welche an der Tür. Wir sahen das Licht", sagten sie, vom Fenster. Wir wollen uns zehn Minuten hinsetzten. Aber wir haben ein Kind, sagte der Mann zu ihnen. Da sagten sie nichts weiter, aber sie kamen doch ins Zimmer, stießen Nebel aus den Nasen und hoben die Füße hoch. Wir sind ganz leise, flüsterten sie und hoben die Füße hoch. Dann fiel das Licht auf sie. Drei waren es. In drei alten Uniformen. Einer hatte einen Pappkarton, einer einen Sack. Und der dritte hatte keine Hände. Erfroren, sagte er, und hielt die Stümpfe hoch. Dann drehte er dem Mann die Manteltaschen hin. Tabak war drin und dünnes Papier. Sie drehten Zigaretten. Aber die Frau sagte: Nicht, das Kind. Da gingen die vier vor die Tür, und ihre Zigaretten waren vier Punkte in der Nacht. Der eine hatte dicke umwickelte Füße. Er nahm ein Stück Holz aus einem Sack. Ein Esel, sagte er, ich habe sieben Monate daran geschnitzt. Für das Kind. Das sagte er und gab es dem Mann. "Was ist mit den Füßen?", fragte der Mann. "Wasser", sagte der Eselschnitzer, vom Hunger. "Und der andere, der dritte?", fragte der Mann und befühlte im Dunkeln den Esel. Der dritte zitterte in seiner Uniform: "Oh, nichts", wisperte er, da sind nur die Nerven. Man hat eben zu viel Angst gehabt. Dann traten sie die Zigaretten aus und gingen wieder hinein.

Sie hoben die Füße hoch und sahen auf das kleine schlafende Gesicht. Der Zitternde nahm aus seinem Pappkarton zwei gelbe Bonbons und sagte dazu: "Für die Frau sind die."

Die Frau machte die blassen Augen weit auf, als sie die drei Dunkeln über das gebeugt sah. Sie fürchtete sich. Aber da stemmte das Kind seine Beine gegen ihre Brust und schrie so kräftig, dass die drei Dunklen die Füße aufhoben und zur Tür schlichen. Hier nickten sie nochmal, dann stiegen sie in die Nacht hinein.

Der Mann sah ihnen nach. Sonderbare Heilige, sagte er zu seiner Frau. Dann machte er die Tür zu. Schöne Heilige sind das, brummte er, und sah nach den Haferflocken. Aber er hatte kein Gesicht für seine Fäuste.

Aber das Kind hat geschrien, flüsterte die Frau, ganz stark hat es geschrien. Da sind sie gegangen. "Kuck mal, wie lebendig es ist", sagte sie stolz. Das Gesicht machte den Mund auf und schrie.

"Weint er?", fragte der Mann.

"Nein, ich glaube, er lacht", antwortete die Frau.

"Beinahe wie Kuchen", sagte der Mann und roch an dem Holz, wie Kuchen. Ganz süß.

"Heute ist ja auch Weihnachten", sagte die Frau.

"Ja, Weihnachten", brummte er, und vom Ofen her fiel eine Handvoll Licht auf das kleine schlafende Gesicht.
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